Stellungnahme des bundesweiten Netzwerks Teachers for Future vom 10.05.2020
Wir sind ein Zusammenschluss von Lehrer*innen, Pädagog*innen und anderen schulischen Mitarbeiter*innen. Wir verstehen uns als Teil der „for-Future“-Bewegung und arbeiten auf allen Ebenen in Absprache mit den anderen for-Future-Gruppen.
Wir tolerieren keinen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus oder andere Ansichten, die nicht mit den Menschenrechten vereinbar sind.
Wir sind basisdemokratisch organisiert.
Wir sehen die Schule als einen wichtigen Ort gesellschaftlicher Transformation hin zur notwendigen Nachhaltigkeit und kritisch-politische „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ als den entscheidenden Hebel für diese Transformation.
Gleichzeitig stellen wir fest, dass die transformative Wirkung von „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ in unseren etablierten nicht-nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen nur sehr begrenzt ist. Darum möchten wir uns für die Zukunft unserer Schüler*innen einsetzen und aus der Schule heraus in die Gesellschaft und auf die Politik wirken, um einen schnellen Wandel zur Nachhaltigkeit in allen Bereichen zu erreichen.
Wir sind überzeugt, dass wir es nicht allein den Kindern und Jugendlichen überlassen dürfen, unsere Welt vor der Zerstörung zu schützen. Darum stellen wir uns ausdrücklich hinter die von der Fridays-for-Future-Bewegung gewählte Protestform, den Schulstreik, da dieser der Dringlichkeit der Situation und der politischen Blockade von Klimaschutz angemessen ist.
Dabei wollen wir als Lehrpersonen mit dieser Herausforderung nicht alleine bleiben, sondern tauschen Erfahrungen und Ideen aus und unterstützen einander in unseren Anliegen. Hier liegt der besondere Wert unserer lokalen und überregionalen Netzwerke und Arbeitsgruppen.
Die Sicherheit, Gesundheit und Zukunft aller Kinder der Erde ist existenziell gefährdet. Die derzeitigen Maßnahmen zum Klimaschutz reichen bei weitem nicht aus, um das völkerrechtlich verbindliche Übereinkommen von Paris einzuhalten.
Jeden Tag investieren wir Lehrer*innen viel Kraft und Liebe, damit junge Menschen einen guten Start in ihre Zukunft und bestmögliche Voraussetzungen für ein erfolgreiches, gesundes und sinnerfülltes Leben haben. Die Erhitzung der Erde sowie das sechste große Artensterben sind wissenschaftlich gesicherte Prozesse, die diese Ziele nicht nur gefährden, sondern vollkommen konterkarieren. Deshalb können wir Teachers for Future die Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Verzögerung und Verhinderung notwendiger Maßnahmen nicht länger hinnehmen.
Wir stellen uns deswegen hinter unsere streikenden Schüler*innen von Fridays for Future und unterstützen sie sowohl in ihren Forderungen (fridaysforfuture.de/forderungen/) als auch in der Form ihres Protests. Diesen erkennen wir als Ausdruck von politischer Teilhabe und gesellschaftlichem Engagement an.
Wir erwarten von allen gewählten Volksvertreter*innen, Unternehmen und Bildungsinstitutionen, dass sie sich deutlich hinter die Wissenschaft stellen und ihr Handeln umgehend so verändern, dass die 2015 in Paris vereinbarten Ziele erreicht werden. Nur dann lassen sich auch die dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen der Bevölkerung vermitteln. Dabei spielen die Schulen eine wichtige Rolle.
1. Gemeinsam mit der Fridays-for-Future-Bewegung fordern wir die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens.
Die Regierungen, auch die Landesregierungen und Kommunen, müssen die Klimakrise offen kommunizieren und sofortige wirksame Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ergreifen. Nicht-nachhaltige und klimaschädliche Subventionen, Investitionen und Anlageformen sowie Politikmaßnahmen sind schnell zu beenden. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Menschen viele Maßnahmen mittragen, wenn sie notwendig und wissenschaftlich fundiert sind.
Dies gilt auch für Maßnahmen zur Abmilderung der Klimakrise, deren Auswirkungen bereits heute nicht nur im globalen Süden, sondern auch in Europa deutlich zu spüren sind. Eine Klimakatastrophe würde die Folgen aller dagewesenen Krisen um ein Vielfaches übersteigen.
2. Wir fordern eine sofortige, verbindliche Verankerung der Problematik der menschengemachten Klimakrise in allen schulischen Vorgaben.
Klima- und Nachhaltigkeitsbildung muss in der schulischen Praxis höchste Priorität haben: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist die pädagogische Antwort auf die Herausforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise. Schüler*innen müssen befähigt werden, sich diesen existentiellen Herausforderungen zu stellen.
Wir Lehrer*innen müssen ihnen die wissenschaftlich gesicherten Ursachen der Klimakrise und die möglichen Maßnahmen und Perspektiven vermitteln, gleichzeitig die Schüler*innen in der emotionalen Verarbeitung dieser Informationen unterstützen und ihnen Mittel und Wege aufzeigen, wie sie sich privat und politisch für ihre Anliegen einsetzen können.
Auch alle Entscheidungen und Handlungen der Institution Schule müssen mit den Pariser Klimazielen vereinbar sein. BNE muss als grundlegendes Gestaltungsprinzip und als Aufgabe der gesamten Institution Schule (whole institute approach) gesehen und ausgebaut werden, damit diese zu einem Ort der gesellschaftlichen Transformation wird. Die Schule muss ein ganzheitlicher Lernort werden, in dem die Schüler*innen nachhaltige Lebensstile im Sinne der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung kennenlernen, vorgelebt bekommen und für ihre eigene Lebenssituation anpassen. Hierzu müssen die Bildungsstandards und Lehrpläne aller Fächer am Konzept der BNE ausgerichtet werden. Von den Kultusminster*innen muss diesbezüglich ein deutliches Signal an die Bildungsverwaltung, Kommunen, Schulträger sowie an die Schulleitungen und Kollegien gesendet werden. Auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände müssen sich zusammen mit der Bildungsadministration für die Entwicklung nachhaltiger Berufsbilder in der beruflichen Bildung einsetzen.
Dazu müssen die bereits seit 2015 existierenden Rahmenvorgaben der Kultusministerkonferenz (Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung), die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplanes BNE sowie die Forderungen des neuen UNESCO-Programms "ESD for 2030" sofort in der schulischen Praxis umgesetzt werden.
3. Wir fordern, dass alle schulischen Mitarbeiter*innen zur aktiven Mitarbeit an der Bewältigung der Klimakrise im schulischen Kontext befähigt werden
Ebenso wie die politischen Entscheidungsträger*innen müssen auch alle Lehrer*innen mit dem aktuellen wissenschaftlichen Stand der Klimakrise und der transformativen Entwicklung vertraut sein, um ihren Unterricht und ihr schulisches Handeln danach auszurichten. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, brauchen Lehrkräfte und alle schulischen Mitarbeiter*innen eine geeignete Unterstützungsstruktur.
Wir fordern daher die umfassende und verbindliche Ergänzung jeglicher Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und Schulleitungen um Inhalte und Methoden der BNE.
An den Hochschulen und in der Lehrer*innenbildung der II. Phase (Referendariat) muss die pädagogische und didaktische Ausbildung ebenfalls am Konzept der BNE ausgerichtet werden, indem in den Fachwissenschaften der Nachhaltigkeitsbezug zur Basis gemacht wird und in den Erziehungswissenschaften die Bildung für nachhaltige Entwicklung grundlegendes Gestaltungsprinzip wird.
Für alle Fächer und Schulstufen müssen in Kooperation mit Fachpartnern aus der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft Fortbildungsangebote entwickelt werden, so dass alle Lehrkräfte über die notwendigen Kompetenzen und das notwendige Wissen verfügen. Neben der Wissensvermittlung über die Klimakrise, die Zusammenhänge des Anthropozäns und die Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (SDGs) sind insbesondere gesellschaftliche Lösungsansätze aus allen Bereichen zu thematisieren.
Die Schulträger müssen verpflichtet werden, darüber hinaus alle am Schulleben beteiligten Mitarbeiter*innen für die BNE-Ziele und die Herausforderungen der Krise zu sensibilisieren.
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